WG45 – Briefentwurf an Alma Mahler
Neubabelsberg, Montag, 15. August 1910
Meine herrliche .
Es ist \giebt/ seltsame Dinge, mich
deucht zwischen uns führen
unsichtbare Fäden von Herz
zu Herzen. Diesen Nachmittag
befiel mich eine Unruhe die
ich mir nicht erklären konnte
und siehe – Dein Brief blieb
aus. \wie ein Seismograph
auf die leisesten Störungen
vorahnend reagiert.
es verzeichnet die leisesten Störungen/
Ich habe auch die halbe Nacht
über Deinen gestrigen Brief nachge-
dacht und meine Antwort kommen-
tiert. Mein Lieb, Du mußt
es \zuversichtlich/ glauben, daß ich Dich von Grunde
unendlich liebe, ich habe es Dir
in ta vielen Gleichnissen \u Farben/ geschrieben.
aber was sind \bedeuten freilich/ die toten kalten
Buchstaben bedeuten ja \freilich/ nichts
ein einziger Blick meiner Augen
hat Dir beredteres Zeugnis abge-
legt. Denke immer daran \an unseren Tag in Toblach/ in Deiner \ärgsten/
Bedrängnis. Jetzt kann ich nichts
tun, als Tag für Tag Dir wieder
Ist Freitag ein Brief abgegangen? Recherche
post restante Adr. München
Bilder angekommen?
Dr. Pl. Potsdam
Freude über gleichen Vorschlag Briefe
Fragen beantworten
Briefe Dein Bernstein
Darf ich Bücher schicken?
Halsbänder Geburtstag
Wirklich vor lauter \überschäumender/ Seligkeit
bin ich gestern Abend nicht mehr
zum Schreiben gekommen. Dein
entzückender liebedurchtränkter
Brief hat mich in einen Glücks-
zustand versetzt, den ich garnicht be-
schreiben kann: Wie ich Dir gestern
schrieb, nach Leid empfindet man
Freude doppelt stark und ich hatte
mich nach verhehle Dir nicht, daß
die Resignation nach Deinem
letzten Briefe und das Ausbleiben
Dei von Nachrichten mich recht ernst
gestimmt hatten. Ich lebe ja nur
noch von Deinen Worten, die Du mir
schickst, wol [!] 20 mal habe ich schon
Deinen himmlischen Brief gelesen
und immerfort mit Küssen be-
deckt. Deine süßeste Hingebung
und Deine herrliche Güte und
Reinheit spricht daraus – ich zergehe
ich löse mich auf vor Bewunderung
Anbetung u Liebe. Ja meine
geliebte \holde/ , ich muß Dir
ja treu sein dadurch \u nur dann/ gehe ich ja
mit dem Leben; nicht neben
ihm ich habe Leib u Seele in
Deine Hände befohlen, regiere
Du sie nach mit Deiner Klugheit
u Liebe, dann kann nichts \nie etwas/ ge-
schehen, was auf unsere reine Liebe
einen Schatten wirft, auch wenn ich
lange, lange Deiner harren muß. –
Wie \Ich bin/ dankerfüllt bi für das
kaum faßbare \Glück/ daß ich \es mir beschieden war/ Dein Lehr-
meister sein \zu/ dürfen, daß Du \mich/ jung-
fräulich rein und wie eine Maria
empfingst und mich die göttlichen
Schöpferwonnen genießen ließest,
Deine \wolbeschaffenen/ Sinnen zu bilden \u/ aus dem
verborgenen Glimmen ein gewaltiges
brausendes Feuer zu entfachen, das
mich \dann/ selbst verzehrte - unnehmbarer
Besitz!
Apparat
Überlieferung
, , , , , .
Quellenbeschreibung
3 Bl. (3 b. S.) – Notizblock.
Druck
Erstveröffentlichung.
Datierung
Die Datierung des vorliegenden Briefentwurfs ergibt sich aus den Korrespondenzstellen, die sich auf AM18 vom 13. August 1910 beziehen. Bei einer Postlaufzeit von ein bis zwei Tagen müsste WG AM18 entweder am 14. oder 15. August erhalten haben. Da er selbst im vorliegenden Entwurf bemerkte, er hätte erst am Tag nach Erhalt ihres Briefes eine Rückantwort verfasst (Ich habe auch die halbe Nacht über Deinen gestrigen Brief nachgedacht und meine Antwort kommentiert), müsste WG45 entweder am 15. oder 16. August 1910 entstanden sein. In AM21 vom 17. August heißt es dabei Dein gestriger Brief. Sie erhielt den Brief, der wahrscheinlich aus WG45 entstand, am 16. August, woraus sich eine Datierung auf den 15. August 1910 ergibt.
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Elke Steinhauser)
\wie ein […] Störungen/ – Einfügung in Tinte verfasst.
gestrigen Brief – AM18 vom 13. August 1910, bei am 14. August 1910 eingetroffen.
Dr. Pl. – s. WG18 vom 25. Juli 1910: Pleschner.
Deinem letzten Briefe – AM17 vom 11. August 1910.